KENIA - Corona bremst die ganze Welt I

03.04.2020 | von Luggi Frauenberger
Diese kleine Artikelreihe blickt über den eigenen Tellerrand. Dieses Mal nach Kenia. „Zuhause sitzenbleiben heißt, verhungern zu müssen!“, so beschreibt die DKA-Projektpartner*in Sr. Mary Killeen die Situation der Menschen im Mukuruslum in Nairobi, die von der neuen Ausgangssperre betroffen sind.

Mein Arbeitsleben hat sich in den letzten Wochen stark verändert. Skypemeetings, Ferntelefonate, E-Mail oder WhatsApp waren auch bislang schon Teil meines Arbeitsalltags, aber in einer so massiven Weise ist meine Kommunikation noch nie auf diese Ebenen beschränkt worden.

 

Corona bremst die ganze Welt

Mit dieser kleinen Artikelreihe lade ich die Leserinnen und Leser ein, den Blick über den Tellerrand hinaus zu wagen. Ich werde in den nächsten Wochen eine virtuelle Reise zu Menschen machen - es sind Projektpartner*innen der DKA und/oder auch Freund*innen von mir im jeweiligen Land die Zeiten von Corona zu überstehen versuchen. Ich gebe euch auch Links von Medien weiter, die meiner Meinung nach ein sehr klares Bild der Lage geben.

 

Kenia

Nicht nur, dass Kenia eines der Schwerpunktländer der DKA ist. Einige der Projektpartner*innen Kenias sind auch im Solidareinsatzprogramm und halten seit über zehn Jahren die Tore und Türen für Österreicher*innen offen, die für ein paar Monate in den Projekten mitarbeiten.

Die Türen und Tore nach Kenia sind seit ca. 15. März 2020 geschlossen. Kenias Grenzen sind geschlossen!

Kenya Airways (KQ) hat am Sonntag, den 29.3.2020 den letzten Flug von JFK in New York nach Nairobi durchgeführt. Dabei war doch diese Destination, die seit Herbst 2018 angeflogen wurde, als Befreiungsschlag der KQ gedacht, den Schuldenberg von 267 Mio. $ zu verringern, da mit dem 15stündigen Direktflug nach New York gutes Geld verdient werden konnte.

 

Ausgangssperren, die mit Gewalt durchgesetzt werden

Innerhalb der nun geschlossenen Grenzen Kenias ist die Situation seit der Verhängung der Ausgangssperren auch alles andere als gut. Von 19:00 Uhr abends bis 5:00 Uhr früh herrscht eine totale Ausgangssperre, in der restlichen Zeit ist das Rausgehen sehr eingeschränkt.

Die Polizei und auch die Armee gehen mit Tränengas gegen Menschen vor, die die Ausgangssperren nicht einhalten. In einem kurzen Video, das ich am vergangenen Sonntag von einer Bekannten aus Mombasa erhalten habe, ist eine große Menschenmenge zu sehen, die fliehend den Tränengasschüssen der Polizei zu entkommen versucht.

Für die meisten Menschen in Mukuru, einem der größten Slums in Nairobi, bedeutet die Ausgangssperre dies: „Zuhause sitzenbleiben heißt, verhungern zu müssen“, so die Leiterin von Mukuru Promotion Centre (MPC), Sr. Mary Killeen.

 

Lebensmittelpakete helfen beim Überleben

Sr. Mary und ihr Team arbeiten seit Jahrzehnten in Mukuru und die MPC-Gäste der Dreikönigsaktion, Risper Ogutu und Mary Adhiambo, die im vergangenen Herbst vor der Sternsingeraktion in Oberösterreich waren, haben dies eindringlich präsentiert.

Nun sind die Schulen von MPC auf behördliche Anweisung hin geschlossen.

Das heißt, rund 6000 Volksschulkinder haben jetzt nicht mal mehr das warme Mittagessen in der Schule, welches sonst oft die einzige Mahlzeit des Tages war! Seit 25. März organisiert daher MPC die Verteilung von Lebensmittelpaketen für die Familien jener Kinder, die bei MPC zur Schule gehen. Leider kam es in einer der vier Volksschulen von MPC beim Verteilen auch zu Ausschreitungen, weil viele andere Menschen aus dem Slum auch Lebensmittelpakete haben wollten! Dies zeigt, welcher enorme Druck auf den Menschen im Slum herrscht.

 

9 € stärken das Immunsystem

Die Ausgangsbeschränkungen tagsüber sehen einen 2-Meterabstand zwischen den Menschen vor. Im Slum sind die meisten Gassen zwischen einem und drei Metern breit und die Bevölkerungsdichte ist so groß, dass dieses Abstandhalten niemals funktionieren könnte. 83.000 Menschen leben in Mukuru pro Quadratkilometer (zum Vergleich: in Oberösterreich 124, in Wien 4608).

Sr. Mary Killeen schreibt dazu: „Wir können gegen diese Enge und Bevölkerungsdichte nichts machen. Was wir aber tun können ist, etwas für die Stärkung des Immunsystems zu tun.“

MPC hat nun eine Aktion ins Leben gerufen, die den Familien ein „immunity boost parcel“ (Immunstärkungspaket) im Gegenwert von 9 € anbietet. In Australien, Großbritannien und Kenia werden dafür die erforderlichen Spenden gesammelt. Diese Pakete enthalten Grünkohl, Orangen, Mais, Wasser, Amaranthmehl, Desinfektionsmittel, Klopapier und Seife. Die Menschen bekommen diese Pakete von MPC gratis.

62 % des Personals von MPC in den Schulen, im Berufsbildungszentrum und im Behindertenzentrum für Kinder sind zurzeit ohne Arbeit. Die anderen arbeiten, in Absprache mit der Regierung, in der Klinik und im Rehabilitationszentrum, da zum einen die Menschen medizinische Hilfe benötigen und zum anderen die Kinder und Jugendlichen im Reha-Zentrum keinen anderen Platz hätten, wohin sie gehen könnten, weil sie keine Eltern oder Verwandte haben.

 

Soforthilfe gegen Heuschreckenplage

Was die Nahrungsmittelversorgung in Kenia angeht, so sind nach enormen Überschwemmungen im Herbst 2019 und dem Auftreten der millionenfachen Heuschreckenplage beträchtliche Teile der Ernteerträge der letzten Monate vernichtet worden (ergänzend dazu hier ein Video).

Und während die Bauern und Bäuerinnen Kenias alles Mögliche versuchen, die Lebensmittelproduktion wieder zu steigern, so droht durch das Heranwachsen der dritten Generation der Heuschrecken die nächste schwere Niederlage für die Landwirtschaft Kenias. Durch die weltweiten Produktionsausfälle der Industrie, vor allem der aus China, stiegen auch die Preise für Pestizide gegen Heuschrecken so stark an, dass sich die Landwirt*innen diese nicht mehr leisten können.

Auf Antrag von Projektpartner*innen aus Kenia und Äthiopien hat die DKA am 10. März 2020 aus dem Soforthilfefonds € 50.000 für schnelle Hilfe für die Bevölkerung in den „Heuschreckengebieten“ freigegeben.

Bei Euphrasia, einem Projektpartner der slowakischen Sternsinger*innen, sind die Schneiderei, die Erwachsenenbildung und das Programm zur Einkommenssicherung geschlossen. Für die Frauen, die sonst im Frauenschutzzentrum betreut werden, gibt es so gut wie möglich auch weiterhin eine Unterstützung, steigt doch die Zahl an häuslicher Gewalt seit dem Inkrafttreten der Ausgangssperren enorm an.

 

Kraftorte sind geschlossen

Vielen Menschen in Kenia macht es auch extrem zu schaffen, dass die Kirchen seit nunmehr zwei Wochen geschlossen sind, das pfarrliche Leben auf weiten Strecken zum Erliegen gekommen ist und Ostern dieses Jahr wohl nicht in der Kirche gefeiert werden kann. Es ist schwer vorstellbar, dass die lebendigen Kirchen Kenias sonntags so still geworden sind.

 

Alle unsere Projektpartner*innen bitten uns um das Gebet und hoffen darauf, dass dieser Coronahorror bald ein Ende findet. Und wir von der Jungschar-DKA bleiben an ihrer Seite.

 


Quellen

Newsletter von MPC und Euphrasia aus Nairobi, Al Jazeera, ZDF, Statista.com, populationof.net

KENIA - Corona bremst die ganze Welt I
INDIEN - Corona bremst die ganze Welt II
PHILIPPINEN - Corona bremst die ganze Welt III
BRASILIEN - Corona bremst die ganze Welt IV
KOLUMBIEN - Corona bremst die ganze Welt V
Der Klopapierlieferant
Luggi Frauenberger

ist im Jungscharbüro für den DKA-Bildungsbereich mitverantwortlich und betreut das Fundraising und die Spezialprogramme Solidareinsatz und Lerneinsatz.