Genug für alle!

09.10.2023 | von Hannah Angerbauer
Armut oder gar Kinderarmut, gibt es das in Österreich überhaupt noch? Leider ja! Armut ist für viele Kinder in Österreich nach wie vor Realität.

Obwohl Österreich eines der reichsten Länder der Welt ist, waren im Vorjahr noch immer 18% der österreichischen Wohnbevölkerung – das sind 1.542.000 Menschen – von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Wir finden, das ist in einem der reichsten Länder der Welt, in dem die reichsten 5% der österreichischen Haushalte 45% des gesamten Bruttovermögens besitzen, ein Skandal. Armut grenzt Erwachsene und Kinder aus und verschlechtert ihre Zukunftschancen.1

 

Gerechte Verteilung statt Treten nach unten

Doch anstatt die wohlhabenden Bevölkerungsschichten in die Pflicht zu nehmen und durch Vermögens- oder Erbschaftssteuer zur gerechteren Verteilung des Wohlstands in unserem Land beizutragen, überbieten sich viele Parteien nicht nur in Wahlkampfzeiten darin, wer am besten nach unten tritt.

 

Die Mindestsicherung

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung wird in vielen Bundesländern gekürzt oder gedeckelt.

Die Katholische Jungschar lehnt die Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entschieden ab. Diese betrifft nämlich vor allem Mehr-Kind-Familien und verstärkt damit die Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen in betroffenen Haushalten/Familien. Die Sicherung des Kindeswohls, dass bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, beachtet werden muss, ist so nicht mehr gegeben. Die Lebenserhaltungskosten steigen mit der Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder. Daran muss sich auch die Auszahlung der Mindestsicherung orientieren.  

 

Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention schreibt vor, dass kein Kind aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler, ethnischer oder sozialer Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder eines sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds diskriminiert werden darf. Der Staat muss sicherstellen, dass Kinder vor allen Formen der Diskriminierung aufgrund ihres Status oder des Status ihrer Eltern geschützt werden. Ebenso ist der Staat nach Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention zur Wahrung des Kindeswohls verpflichtet.2

Die Katholische Jungschar Österreichs spricht sich daher klar gegen die Kürzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte aus.  

 

Wie nehmen Kinder Armut wahr?

Ingrid Kromer und Gudrun Horvat haben sich in ihrer Studie „Arm dran sein & arm drauf sein“ mit dem Armutsverständnis von Kindern auseinandergesetzt und zeigen, dass Kinder Armut anders wahrnehmen als Erwachsene: Armut heißt für Kinder „mutterseelenallein sein“, „ausgeliefert sein“, „anders sein“ und „verletzbar sein“. „Fast ausnahmslos sehen Mädchen und Buben das Kinderarmutsrisiko außerhalb ihrer Gestaltungsmöglichkeiten. Aus Kindersicht sind Armutslagen von Kindern geprägt durch Abhängigkeiten von Bezugspersonen, von wohlfahrsstaatlichen Einrichtungen und von je individuellen Umfeldfaktoren des Kindes.“3

 

Menschen nicht gegeneinander ausspielen

In der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen steht im Artikel 27, dass alle Kinder und Jugendlichen das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard haben. Deshalb setzt sich die Katholische Jungschar dafür ein, dass Kinder mit Armutserfahrungen mehr in den Fokus gesellschaftlicher Debatten gerückt werden. Arme und sozial benachteiligte Menschen in unserer Gesellschaft dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir fordern, dass Politiker*innen sich in die Lage von armutsgefährdeten Kinder versetzten und, dass keine politischen Entscheidungen getroffen werden, die Kindern – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus – Chancen verbauen und soziale Ungerechtigkeiten in Österreich verstärken.

In Zeiten von Deckelungen, Kürzungen und anderen Einsparungen bei Soziallleistungen muss der Blick endlich wieder auf diejenigen gerichtet werden, die davon am stärksten betroffen sind: Kinder und Jugendliche. Die Katholische Jungschar sagt deshalb klar: Es gibt genug für alle, und fordert eine Kindergrundsicherung für alle Kinder in Österreich unabhängig von sozialem Status, Familienform oder Herkunft der Eltern. Wir finden, dass die finanzielle Situation der Eltern nicht darüber entscheiden darf, welche Chancen Kinder haben und wie sie sich entwickeln können.

 


1 Armutskonferenz: http://www.armutskonferenz.at/armut-in-oesterreich/aktuelle-armuts-und-verteilungszahlen.html

2 Vgl.: UN-Konvention über die Rechte des Kindes, Download unter http://www.kija.at/kinderrechte

3 Horvart, Gudrun u. Kromer, Ingrid: Arm dran sein & arm drauf sein. Wie Mädchen und Buben in Österreich Armut erleben und erfahren. Hrsg: Katholische Jungschar Österreich. 2012. S. 65.

 

Artikel 27 der UN Kinderrechtskonvention

Zum Tag der Kinderrechte richten wir heuer den Blick besonders auf Artikel 27 der UN Kinderrechtskonvention. Recht auf angemessenen Lebensstandard und staatliche Sicherung eines Existenzminimums:

Kinder und Jugendliche haben das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard. Grundsätzlich sind die Eltern nach ihren Möglichketen verantwortlich dafür. Der Staat wiederum muss dafür sorgen, dass es die notwendigen Voraussetzungen dafür gibt, dass die Eltern ihrer Pflicht nachkommen können. Bei Bedürftigkeit hat der Staat Hilfs- und Unterstützungsprogamme vorzusehen. Der Staat hat alle Maßnahmen zu treffen, um die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegenüber den Eltern sicherzustellen.

Was arm sein in Österreich heißen kann:

  • die Wohnung nicht ausreichend heizen können
  • sich die ganze Zeit Sorgen machen, wie man finanziell über die Runden kommt und wo man noch sparen könnte
  • kein Taschengeld bekommen
  • nicht auf Urlaub fahren können
  • nicht genug Geld für Nahrungsmittel haben
  • sich schämen
  • keine neue und der Jahreszeit entsprechende Kleidung kaufen können
  • nicht auf Schulausflug mitfahren können
  • in einer zu kleinen Wohnung leben
  • nicht zu Geburtstagsfeiern gehen, weil kein Geld für ein Geschenk da ist
  • Was fällt dir noch ein?

 

Hannah Angerbauer

arbeitete als Referentin für Gesellschaftspolitik bei der Katholischen Jungschar Österreichs.