Ich lebe gerne hier, weil ich eine Zukunft sehe!

07.05.2023 | von Luggi Frauenberger
Luggi Frauenberger interviewt Hussein Jasem, einen ehemaligen Flüchtling aus dem Irak.

Hussein lebt seit Juli 2014 in Österreich und kam ursprünglich als Flüchtling aus dem Irak nach Österreich. Er erzählt von seinen Jahren in Österreich und von dem Vielen, das ihn bewegt und wie er hier eine Heimat gefunden hat.

 

Was mich hier her brachte

Vertrieben vom Krieg in seinem Heimatland hat Hussein ein neues Leben in einem anderen Land gesucht. Ursprünglich wollte er nach Europa und auf dem jahrelangen Weg über verschiedene Staaten kam er zufällig nach Österreich. Er hatte kein Geld mehr und wurde 2014 von der Polizei in Österreich aufgegriffen. Ein großes Erstaunen überfiel ihm beim Kontakt mit der österreichischen Polizei. Er wurde nicht geschlagen, die Polizist*innen sagten ihm, er brauche keine Angst haben, sie würden ihm helfen. Weder in der Türkei, in Griechenland und vor allem nicht in Serbien erlebte er Polizist*innen, die ohne Schläge arbeiteten! Und Hussein erlebte auf all den Stationen am Beginn seines Aufenthaltes in Österreich, dass die Gewaltfreiheit, das Helfen überall angewandt wurde.

Nach Traiskirchen, dem riesigen Erstaufnahmezentrum in NÖ, kam er über Freistadt nach Wartberg ob der Aist.

Schon von Beginn an stand die Hilfsbereitschaft der Menschen und die Korrektheit der Behörden im Vordergrund. Hilfe beim Einkaufen, beim Sprache erlernen und vielem mehr charakterisierten die ersten Jahre und Judith, eine Freiwillige aus Wartberg, begleitete ihn beim Lernen der Sprache bis zu den Prüfungen auf B1-Niveau.

„Das Beeindruckendste hier in Österreich waren für mich die Leute, die mir einfach so und so viel geholfen haben! Das war nicht normal für mich, so etwas zu erleben! Und dass die Polizei so nett war. Ich musste keine Angst mehr haben.“

 

Was ich schätze

Auf die Frage , was Hussein in Österreich im Gegensatz zu seinem Herkunftsland besonders schätzt, kommt die Antwort sehr schnell: „In Österreich habe ich drei sehr wichtige Dinge für mich gefunden:

  1. Hier gibt es sehr viel Sicherheit!
  2. Hier gibt es so viele gute Verkehrsverbindungen!
  3. Hier gibt es Versicherungen und es funktioniert so vieles hier super!“

 

Was mir fehlt

Und natürlich fehlt ihm auch manches: Es sind die Familie und die Freunde (wobei er mittlerweile auch Freund*innen in Österreich gefunden hat). Das Essen ist auch ganz anders, aber da Hussein, mittlerweile mit österreichischem Lehrabschluss Koch ist, kann er sich sein Lieblingsessen jederzeit selber machen!

 

Was hilfreich ist

Österreich wurde mittlerweile eine weitere Heimat für Hussein. Die vielen Menschen, die ihn unterstützt haben, der Daueraufenthaltstitel, die Tatsache einen österreichischen Berufsabschluss zu haben und versichert zu sein, wenn man mal krank ist, all das macht es aus, dass Österreich Husseins Heimat geworden ist. Als er vor zwei Jahren nach langer Zeit endlich wieder mal in den Irak kam, um seine Familie zu besuchen, wurde er in den ersten Tagen des Besuchs krank. „In diesen Tagen im Irak habe ich mir gewünscht, dass ich schnell wieder nach Österreich kommen kann!

Und doch gehörte dieser Besuch zum Schönsten, was ich gemacht habe. Nach 12 Jahren wieder die Familie und Freunde zu sehen, das war unbeschreiblich schön! Ich habe damals meine Familie überrascht mit meinem Besuch. Nun freue ich mich aber, da ich, dank des Daueraufenthaltstitels, immer wieder Besuche im Irak machen kann“, sagt Hussein mit funkelnden Augen.

 

Was anders ist

Im Laufe unseres Gespräches fragte Luggi Hussein, was er denn als besonders schräg in Österreich erlebt hat. Bei seiner Antwort sagt er, dass dies für ihn nach Jahren in Österreich, jedoch auch „normaler“ geworden sei.

„Also, ganz schräg fand ich nach meiner Ankunft in Österreich, dass es hier so viele Leute gibt, die einfach so zusammenleben, ohne verheiratet zu sein. Viele haben Kinder miteinander. Im Irak ginge  dies überhaupt nicht und die Familien würden das nie erlauben.“

Was ihn verwirrte, war die Angst Zugezogenen gegenüber, die er von manchen Österreicher*innen verspürte. „Ich hatte ja auch keine Angst vor den Österreicher*innen und es gibt doch überall gute, nette und nicht so gute Menschen, oder?“

 

Was ich mir wünsche

„Ich wünsche mir, dass die Österreicher*innen auch ins Ausland reisen, dass sie sehen, dass sie vor Menschen, die anders sind als sie selber, nicht Angst haben müssen und dass es so viele gute Menschen gibt. Bücher lesen, Dokumentationen anschauen und Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich kennenlernen, kann auch dazu führen, dass man keine Angst mehr hat.“

Husseins Religion ist der Islam. Auf die Möglichkeit der Ausübung seiner Religion angesprochen, sagt er: „Ich lebe hier als Muslim und ich kann meine Religion vollkommen frei leben. Was ich auch besonders schätze, ist der Respekt, der mir in der Arbeit entgegengebracht wird. Alle wissen, dass ich kein Schweinefleisch und keinen Alkohol zu mir nehmen darf und das wird respektiert und wenn wir diese Produkte kochen, dann schmecken die anderen das für mich ab! Super!“

Hussein lebt gerne in Österreich, weil er die Chance auf einen guten Job hatte, die Sprache gelernt hat, einen Berufsabschluss gemacht hat und sehr viel geschafft hat! Der Daueraufenthaltstitel und die Perspektive für eine gute Zukunft ist es, was unter anderem sein Leben hier gut macht.

Oft wollte er sich schon bedanken bei all den Leuten, die ihm geholfen haben und oft hat er von denen gehört: „Hilf du auch mal jemandem, wenn der- oder diejenige Hilfe braucht.“

Wo du deine Haube lässt, dort ist deine Heimat.
Ich lebe gerne hier, weil ich eine Zukunft sehe!
Der Liebe wegen habe ich hier eine Heimat gefunden.
Luggi Frauenberger

ist im Jungscharbüro für den DKA-Bildungsbereich mitverantwortlich und betreut das Fundraising und die Spezialprogramme Solidareinsatz und Lerneinsatz.