Integration und Inklusion im Kontext der Jungschar

Inklusion und Integration – diese zwei Wörter hat man vielleicht schon einmal gehört. Konfrontiert wird man damit oft, ohne dass diese Begriffe verwendet werden oder man selbst es merkt – besonders, wenn man sich in einer Position wie der eines/einer Gruppenleitenden wiederfindet. Aber was genau bedeuten diese zwei Begriffe, was unterschiedet sie und wie kann es ausschauen, wenn man probiert sie in die Tat umzusetzen?

Was bedeutet „Integration“1?

Was genau Integration bedeutet, ist sehr wesentlich durch den Kontext bestimmt und wird auch immer wieder diskutiert. Grundsätzlich gehen wir von einer Gemeinschaft aus, die Menschen mit verschiedenen Eigenschaften, Fähigkeiten und Besonderheiten umfasst. Manche dieser Menschen stoßen zu dieser Gemeinschaft erst später hinzu oder haben Schwierigkeiten, an gewissen gemeinschaftlichen Aktivitäten mitwirken oder daran teilhaben zu können. Integration meint dann, dass es diesen Personengruppen ermöglicht bzw. erleichtert wird, gewisse Dinge zu nutzen. Dafür wird dann oft etwas zur Verfügung gestellt, das neu oder anders ist und auch speziell für die Menschen gedacht ist, die an anderen Dingen nicht oder nur erschwert teilhaben können. Ein Beispiel dafür sind Sonderschulen oder Integrationsklassen in „normalen" Schulen. Dazu aber später noch etwas ausführlicher.

 

Was bedeutet „Inklusion“1?

Man könnte meinen, dass die beiden Begriffe „Inklusion“ und „Integration“ dasselbe beschreiben. Tatsächlich meinen sie etwas sehr Ähnliches. Auch bei dem Begriff der Inklusion geht man von einer Gesellschaft aus, die Menschen umfasst, die sehr verschiedene Ansprüche und Bedürfnisse haben und in der es Menschen gibt, die aufgrund ihrer Eigenschaften benachteiligt und marginalisiert* werden. Allerdings ist hierbei das Ziel, dass die Bedürfnisse oder Eigenschaften einiger Personengruppen durch Hilfestellungen weniger als „anders“ wahrgenommen werden, als dies im Bereich der Integration oft der Fall ist. Vielmehr ist erwünscht, dass diese Erleichterungen so in die Gesellschaft eingebracht werden, dass diese eben nicht mehr als anders wahrgenommen werden.

*Marginalisierung bedeutet die Verdrängung von Menschen oder gewissen Personengruppen an den Rand einer Gesellschaft.

 

Beispiel für den Unterschied

Zum besseren Verständnis hier ein Beispiel: Als eine marginalisierte und diskriminierte Gruppe unserer Gesellschaft werden hier Menschen mit Beeinträchtigung genannt.2 Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung werden oft in Sonderschulen geschickt, in denen sie unter sich lernen. Dass es diese Schulen gibt und Kinder mit geistiger Beeinträchtigung eine Möglichkeit zur Bildung haben, wäre ein Beispiel für Integration.
Manche Kinder mit kognitiven Besonderheiten haben die Möglichkeit in eine „normale“ Schule zu gehen und besuchen dort eine Klasse mit Kindern, die als Kinder ohne Beeinträchtigung definiert werden. Wenn schon bestehende Strukturen so geöffnet werden, dass alle daran teilhaben können bzw. Einrichtungen geschaffen werden, die alle Menschen berücksichtigen, wäre das ein Beispiel für das Modell der Inklusion.

Bei beiden Modellen ist jedoch das Ziel die grundsätzliche Teilhabe aller Menschen an gesellschaftlichen Einrichtungen und Strukturen. Ein Problem, mit dem man sich in jedem Fall auseinandersetzen muss, ist die unnötige Bevormundung von Menschen, die sich durch bestimmte Eigenschaften oder Besonderheiten von vielen anderen Personen in einer Gesellschaft unterscheiden und möglicherweise vor besondere Herausforderungen gestellt werden.

 

Umsetzung in die Praxis – in der Jungschar

Gruppenleitende erleben immer wieder die Herausforderung, die Kinder so anzunehmen, wie sie sind. Dass alle Kinder Gehör finden, ist nicht immer leicht. So ist es auch mit Kindern mit Beeinträchtigung.
Eine exakte Anleitung für die Inklusion eines Kindes mit Beeinträchtigung, das die Jungschar besuchen oder ministrieren möchte, gibt es nicht. Denn jedes Kind ist eine eigene Persönlichkeit mit individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Wichtig ist auf jeden Fall die Kommunikation mit dem Kind. Man sollte sich auf das Kind, genau wie auf alle anderen Gruppenkinder auch, einlassen. Es kann relativ schnell passieren, dass das Kind von den anderen Kindern oder auch von Erwachsenen oder Gruppenleitenden bevormundet wird. Das kann dann so ausschauen, dass diesem Kind bei Dingen geholfen wird, die es selber schafft, oder dass es auch bei Gruppenspielen unterschätzt wird.

Ganz viel in der Umgangsweise hängt aber vor allem vom Kind, seiner Persönlichkeit und sicherlich auch von seiner Beeinträchtigung ab. Das Wichtigste ist also, auf die Bedürfnisse dieses Kindes so einzugehen wie auf die der anderen Kinder auch. Es gilt auch hier, sich auf das Kind einzulassen und es kennenzulernen. Das kann manchmal schneller, manchmal langsamer passieren – wie auch bei anderen Jungscharkindern.

 

In der Pfarre Christkönig gab es über mehrere Jahre eine inklusive Jungschargruppe mit Kindern mit Beeinträchtigungen. Sie wurde unter anderem von der Gruppenleiterin Sarah geleitet. Sarah hat zusammengefasst, was sie als besonders hilfreich im Umgang mit den besonderen Bedürfnissen der Kinder fand.

 

Übersicht und Struktur

Es ist notwendig, die Stunden zu planen, denn spontan die Kinder entscheiden zu lassen, funktioniert mit vielen Kindern nicht.

Damit die Kinder mitentscheiden können, aber dafür einen klaren Rahmen haben, kann eine Liste mit Aktivitäten erstellt werden, aus der sich die Kinder jedes Mal etwas für die nächste Stunde aussuchen konnten.

Für viele Kinder war wichtig, eine Übersicht zu haben, was an dem Tag passieren wird. Mit Bildkarten kann der Ablauf der Stunde an der Wand sichtbar gemacht werden.

 

Alltägliches

In Sarahs Gruppe waren auch Kinder, die für alltägliche Situationen kein Handlungskonzept hatten. Diese Kinder können sich Abläufe nicht merken und brauchen ganz genaue Anweisungen. Jeder Schritt muss gut erklärt werden.

 

Spiele und Aktivitäten

Bei Spielen braucht es einfache Erklärungen, manche Kinder brauchen immer eine*n Gruppenleitende*n als Spielpartner*in. Spiele brauchen viele Wiederholungen, bis sie rund laufen und alle Kinder gut dabei sein können.

Erfolgreicher sind Aktivitäten, die alle Sinne ansprechen, Spiele, wo alle zusammen etwas schaffen müssen oder Rollenspiele. Spiele, wo strategisches Denken oder kreative Ideen erforderlich sind, funktionieren mit manchen Kindern gar nicht.

 

Sprache

Die Sprache muss möglichst einfach sein. Außerdem hilft die Frage: „Hab ich mich klar ausgedrückt?“ statt „Hast du es verstanden?", damit sich Kinder sagen trauen, wenn sie etwas nicht verstehen.

 

Elternarbeit

Bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen braucht es einen engen Kontakt zu den Eltern. Von ihnen werdet ihr erfahren, was für das Kind notwendig ist und wo es besondere Hilfe braucht.

 

Reflexion

Es ist wichtig, gut im Blick zu haben, was man schaffen kann und was die eigene Kompetenz übersteigt. Hilfe anzunehmen ist keine Schwäche, sondern zeugt von Qualität. Bei schwierigen Situationen hilft es manchmal auch, alles im Kopf nochmal durchzugehen. Häufig erkennt man dann, was die Situation zum Scheitern gebracht hat.

Sarah hat die Erfahrung gemacht, dass sich das schnell herumspricht, wenn Kinder mit besonderen Bedürfnissen in der Gruppe sind. Ihre Gruppe bestand zum Schluss aus vielen Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen, die auf ihre Weise besonders waren.

 

Weiterführende Links:

Die Diözese Linz hat auch eine eigene Stelle für Seelsorge für Menschen mit Behinderung. Infos und Kontaktdaten findest du unter: seelsorge-fuer-menschen-mit-behinderungen. Hier gibt es auch immer wieder Infos zu Veranstaltungen und zum innerkirchlichen, aber auch gesamtgesellschaftlichen Engagement der hier tätigen Personen für die Rechte und Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung.

 


1 Mehr zu einer Begriffserklärung kann u.a. hier gelesen werden:
Mols, Manfred: Integration. In: Staatslexikon, Band 3. Freiburg, Basel, Wien: Herder, 1995, S.111-118.

2 Auch diese gesonderte Benennung kann natürlich diskriminierend aufgefasst werden. Allerdings werden Menschen mit Beeinträchtigung in unserer Gesellschaft tatsächlich immer noch marginalisiert und vor allem bevormundet, sie werden gleichsam behindert.

Cosima Spieß

versucht seit dem 22.12.2002 um 02:12 Uhr, ihren Standpunkt klar darzustellen. Ansonsten sollte man alles des Öfteren von einer anderen Perspektive betrachten. So ist der Trompete- und Klavierspielenden wichtig, dass ein C auf der Trompete ein B auf dem Klavier ist.

 

Verena Schaufler

arbeitete als Bildungsreferentin bei der Katholischen Jungschar Linz.