Thema Sex: Kein Tabu in der Jungschar

02.11.2022 | von Lukas Öttl
Peinlich, unanständig und vielleicht ein bisschen beängstigend: Das alles kann das Thema Sex sein. Dass es das aber nicht sein muss, erfährst du in dieser Methodensammlung.
Kinderanzahl
Kinderanzahl
ab 5 Pers.
Alter
Alter
7-9 Jahre
Gesamtzeit
Gesamtzeit
90 Minuten Plus

Kinder, die sich „Du Schwuchtel!“ und „Fick deine Mutter!“ zurufen, die einander Pornos am Smartphone zeigen oder die sich oder andere in der Öffentlichkeit im Genitalbereich berühren: All dies kann dir in deiner Jungschargruppe auffallen. Kein Grund, in Verlegenheit zu geraten! Natürlich musst du die sexuelle Aufklärung deiner Jungscharkinder nicht übernehmen, wenn du dich damit nicht wohl fühlst. Doch man kann auch ohne klassische „Sex Education" Kinder in ihrer sexuellen Entwicklung unterstützen, zum Beispiel durch folgende Übungen zu Körpergefühl und -wahrnehmung.

 

Emotionen mit dem Körper ausdrücken

Dauer: 10-15min.

  1. Alle Kinder gehen im Raum herum, jede*r für sich allein, am besten komplett durcheinander.
  2. Ein*e Gruppenleiter*in ruft eine Emotion: glücklich, zornig, traurig, aufgeregt, fröhlich, hungrig, usw.
  3. Die Kinder versuchen in ihrem Gang diese Emotion umzusetzen.

 

Rücken-SMS

Dauer: 10-15min.

  1. Die Kinder gehen zu zweit zusammen.
  2. Sie setzen sich auf den Boden, das eine Kind mit dem Rücken zum anderen.
  3. Das andere Kind fragt: „Darf ich dir auf dem Rücken eine Nachricht schicken?“
  4. Wenn das erste Kind bejaht, darf das zweite Kind ihm etwas auf den Rücken zeichnen, das das erste Kind erraten soll. Wenn die Kinder wollen, können auch Buchstaben oder Zahlen verwendet werden.
  5. Die Kinder wechseln die Positionen nach etwa fünf Minuten und die Übung beginnt von vorne.

Tipp: Wenn ein Kind nicht möchte, dass es eine Nachricht auf dem Rücken gezeichnet bekommt, kann es als dritte Person zu einer Zweiergruppe gehen. Das Kind kann hier beim Raten oder Zeichnen unterstützen. 

 

Massagekreis

Dauer: 20min.

  1. Alle Kinder und auch die Gruppenleiter*innen setzen sich in einen Kreis.
  2. Alle drehen sich nach links und sitzen hintereinander.
  3. Bevor man die/der Vorderfrau/Vordermann berührt, fragt man: „Darf ich dir eine Massage anbieten?“
  4. Wenn die/der Vorderfrau/Vordermann bejaht, kann die Massage beginnen. Man kann dabei die Haut kneten, mit den Fingerspitzen auf den Rücken tippen oder sanft die Handballen kreisen.
  5. Nach etwa zehn Minuten drehen sich alle Teilnehmer*innen um und die Übung beginnt von neuem.

 

Fühlkisten

Dauer: 15-20min.

Material: alte Schuhschachteln mit zwei Löchern an der langen Seite (am besten schon vor der Gruppenstunde vorbereiten), Scheren, Igelbälle, Slimys, Knetmasse, Jonglierbälle, Tannenzapfen, Eicheln (und viele andere Materialien, die sich interessant anfühlen)

  1. Die Kinder gehen zu dritt oder zu viert zusammen.
  2. Ein Kind schließt die Augen, die anderen legen eine Auswahl an Materialien in die Fühlkiste.
  3. Das erste Kind streckt die Hände durch die Löcher hinein und darf nun erraten, welche Materialien drinnen sind.
  4. Jetzt ist ein anderes Kind an der Reihe und die Übung beginnt von vorn.

Tipp: Du kannst auch Materialien nur aus der Natur verwenden, wie in dieser Methode vorgeschlagen.

 

Ein Körper für alle

Dauer: 20-30min.

Material: Salzteig oder Knetmasse

  1. Die Kinder beginnen mit freiem Kneten und freiem Modellieren. (Streichen?: Dabei können sie entdecken, wie es sich anfühlt, etwas anzufassen.)
  2. Dann stellt der/die Gruppenleiter*in die Aufgabe: Lasst uns gemeinsam einen großen Körper formen! Jeder nimmt sich einen Körperteil vor!
  3. Gemeinsam formen die Kinder einen großen Körper. Dabei können die Gruppenleiter*innen auch mit ihnen reflektieren, hier einige mögliche Impulse:
  • Welchen Körperteil mag ich an mir besonders gerne?
  • Was finde ich schön an mir?
  • Wo werde ich gerne berührt? Was mag ich nicht so gerne?

 

 

Tipps

Literatur, Spiele, usw.
  • Gnielka, Martik (2019): „Lustvolle Sexualpädagogik – furchteinflößende Missbrauchsprävention? Von der Möglichkeit, beide Ansätze zusammenzubringen“ in: Sozial Extra, 43, 131-136.
     
  • Popova, Milena (2019): Sexual Consent. Cambridge (MA): The MIT Press.
     
  • Recla, Ammo/Schmitz-Weicht, Cai (2015): „Konstruktiv Dekonstruktiv. Ansätze einer queeren Bildungsarbeit.“ In: Huch, Sarah/Lücke, Martin (Hg.): Sexuelle Vielfalt im Handlungsfeld Schule. Konzepte aus Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik, 275-289.
     
  • Sielert, Uwe (2005): Einführung in die Sexualpädagogik. Weinheim/Basel: Beltz.
     
  • Eine großartige Handreichung zum Thema: Rahmenkonzept Sexualpädagogik für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in OÖ: www.kinder-jugendhilfe-ooe.at/Mediendateien
     
  • Tolle Spiele zum Thema „Sex Education, geschlechtliche Vielfalt und Gleichberechtigung: playtopla.com (Website auf Französisch, die Spiele sind aber meist zusätzlich auch auf Deutsch, Spanisch und Englisch).

Kindliche Sexualität

Sexualität beginnt nicht, wie man meinen könnte, mit der Pubertät, sondern bereits vor der Geburt. Etwa ab dem fünften Lebensjahr entwickeln Kinder auch ein Interesse am eigenen und an fremden Körpern (Stichwort: Doktorspiele), das ist völlig natürlich. Ab dem frühen Volksschulalter wenden sich Kinder vermehrt gleichgeschlechtlichen, gleichaltrigen Kindern zu, zwischen dem neunten und dreizehnten Lebensjahr wird das andere Geschlecht interessant. Die Kinder verlieben sich in dieser Phase oft schon und wollen auch mehr über Sex wissen (vgl. Sielert, 2005, 108-116).

 

Mögliche Situationen in der Jungschar und Handlungsgrundsätze

Es kann passieren, dass die Jungscharkinder sexualisierte (eventuell auch diskriminierende) Sprache verwenden, von sexuellen Inhalten wie Pornos reden oder es auch zu sexuellen Berührungen oder Erregung kommt. Wenn du dich wohl damit fühlst, kannst du darauf reagieren: Als oberstes Gebot gilt immer, Sexualität niemals als etwas Negatives oder Verbotenes, sondern als etwas Schönes und Lustvolles darzustellen (vgl. Gnielka, 2019, 132). Ein zentrales Element der Missbrauchsprävention ist dabei das Konzept des Sexual Consent: Die Kinder sollen verstehen, dass bei sexuellen Aktivitäten immer ein Ja von beiden Seiten nötig ist und ein Nein immer akzeptiert werden muss (vgl. Popova, 2019, 13-36). Bei Gesprächen über Sex ist es außerdem empfehlenswert, nicht von einer heteronormativen Wirklichkeit auszugehen, sondern alle sexuellen Orientierungen zu berücksichtigen und zum Beispiel auch sprachlich zu repräsentieren, vor allem durch Gendern und Vermeidung von diskriminierenden Ausdrücken (vgl. Recla/Schmitz-Weicht, 2015, 285-288).

Lukas Öttl

studiert Latein und Griechisch, lebt also mehr in der Antike als im Jetzt. Er hat einen italienischen Pass und liebt Kaffee, Mozzarella und Parmesan. Wäre er ein römischer Gott, hieße er Somnus, das heißt Schlaf. Nachtschichten gibt’s bei ihm also keine, neue Artikel zahlreiche.