Thema Sex: Kein Tabu in der Jungschar

Peinlich, unanständig und vielleicht ein bisschen beängstigend: Das alles kann das Thema Sex sein. Dass es das aber nicht sein muss, wie du mit dem Thema Sex im Gruppenkontext umgehen kannst und wie du zu einer gesunden sexuellen Entwicklung der Kinder beitragen kannst, erfährst du hier in diesem Artikel.

Die sexuelle Entwicklung von Kindern ist ein natürlicher und vielschichtiger Prozess. Er umfasst die Entdeckung des eigenen Körpers, die Entwicklung der Geschlechtsidentität und der eigenen Persönlichkeit sowie den Wissenserwerb. Als Bezugsperson sollst du mit altersgerechten Antworten auf Kinderfragen eingehen, denn eine offene Kommunikation über Sexualität ist entscheidend für ein gesundes Selbstverständnis. Wünscht man sich, dass Kinder zu selbstbestimmten Menschen mit einem positiven Körperbild und einem guten Umgang mit Grenzen heranwachsen, dann ist es auch wichtig, Wissen und eine Sprache über Sexualität zu haben. 

 

Authentische Ansprechperson sein

Im Jungscharalter interessieren sich Kinder zunehmend für das Thema Sex. Da die Schwelle, dieses Thema mit Eltern zu besprechen, oft hoch ist, wenden sie sich manchmal an Gruppenleiter*innen. Wichtig dabei ist, dass du dich selbst wohlfühlst und dich nur so weit auf das Gespräch einlässt, wie es dir angenehm ist. Sei dir bewusst, ein realistisches Bild von Sexualität zu vermitteln. Die Antworten müssen nicht perfekt sein. Es ist völlig okay, mal mit „Puh, da weiß ich gerade gar nicht, wie ich dir das erklären soll“ zu beginnen und sich dann ein paar Gedanken zu machen. Denn die Gedanken lohnen sich: Einen offenen unaufgeregten Umgang mit Sexualität zu etablieren und eine Sprache darüber zu finden, gibt den Kindern die Möglichkeit, diese Kompetenz zu entwickeln. Ebenso ist es möglich zu antworten: „Da muss ich selbst nachsehen.“ Mit welchen Fragen Kinder zu welchem Zeitpunkt kommen, ist nicht planbar. In manchen Situationen ist es auch nicht passend. Auch eine Antwort, wie “Das ist mir zu persönlich” oder “Darüber mag ich jetzt nicht mit dir reden” ist vollkommen legitim. Vertraue auf dein Gefühl und sprich offen an, dass du etwas momentan nicht beantworten kannst oder willst. Du kannst auch anbieten später darauf einzugehen, nachdem du Zeit hattest darüber nachzudenken. 

 

Kinderfragen

Es kann hilfreich sein, sich Gedanken darüber zu machen, wie man auf konkrete Fragen antworten würde. Hier findest du eine Auswahl an möglichen Kinderfragen und Varianten, wie man darauf antworten könnte: 

  • Was ist Sex? Wenn zwei Menschen große Lust aufeinander haben, sich ganz nahe sein wollen, sich küssen und überall streicheln, dann kribbelt es angenehm im ganzen Körper, auch in den Geschlechtsteilen. 
  • Was ist ein Orgasmus? Wenn sich das kribbelige, gute Gefühl im ganzen Körper steigert und sich irgendwann wie ein kleiner Vulkanausbruch auflöst, ähnlich wie beim Niesen, danach ist man ganz entspannt. 
  • Was ist ein Kondom? Ein Kondom ist ein Verhütungsmittel für den Mann. Es verhindert, dass ein Baby entsteht, wenn der Mann und die Frau Sex haben. Das Kondom fängt das Sperma des Mannes auf und schützt auch vor ansteckenden Krankheiten. 
  • Was heißt „schwul“? Schwul ist ein anderes Wort für homosexuell. Das bedeutet, dass ein Junge einen anderen Jungen liebt. Wenn ein Mädchen ein anderes Mädchen liebt, nennt man das „lesbisch“. 
  • Wie geht „schmusen“? Es gibt viele verschiedene Arten, sich zu küssen. Wenn es beiden Spaß macht, können sie sich mit ihrer Zunge gegenseitig im Mund erforschen. 

Hast du Lust auf mehr mögliche Kinderfragen? Dann ist vielleicht das Buch „Klär mich auf“ von Katharina von der Gathen empfehlenswert. 

 

Körperübungen

Natürlich musst du die sexuelle Aufklärung deiner Jungscharkinder nicht übernehmen, wenn du dich damit nicht wohlfühlst. Doch auch ohne klassische „Sex Education“ kannst du Kinder in ihrer sexuellen Entwicklung unterstützen, zum Beispiel durch folgende Übungen zu Körpergefühl und -wahrnehmung: 

 

Emotionen mit dem Körper ausdrücken 
  • Dauer: 10-15 min. 
  • Ablauf: Alle Kinder gehen im Raum herum. Eine Gruppenleiterin ruft eine Emotion (glücklich, zornig, traurig etc.), die Kinder setzen diese Emotion in ihrem Gang um. 
Rücken-SMS 
  • Dauer: 10-15 min. 
  • Ablauf: Kinder gehen zu zweit zusammen. Ein Kind zeichnet eine Nachricht auf den Rücken des anderen, das es erraten soll. 
Massagekreis 
  • Dauer: 20 min. 
  • Ablauf: Alle setzen sich in einen Kreis und bieten der Vorderfrau oder dem Vordermann eine Massage an. 
Fühlkisten 
  • Dauer: 15-20 min. 
  • Material: Schuhschachteln, diverse fühlbare Materialien 
  • Ablauf: Kinder tasten in der Kiste nach Materialien und erraten, was sie fühlen. 
Ein Körper für alle 
  • Dauer: 20-30 min. 
  • Material: Salzteig oder Knetmasse 
  • Ablauf: Kinder formen gemeinsam einen großen Körper und reflektieren über ihre Körperteile. 

 

Kindliche Sexualität 

Sexualität beginnt nicht erst mit der Pubertät, sondern bereits vor der Geburt. Ab dem fünften Lebensjahr entwickeln Kinder ein Interesse am eigenen und fremden Körper, was völlig natürlich ist. Ab dem Volksschulalter wenden sich Kinder vermehrt gleichgeschlechtlichen, gleichaltrigen Kindern zu, und zwischen dem neunten und dreizehnten Lebensjahr wird das andere Geschlecht interessant. In dieser Phase wollen Kinder oft mehr über Sex wissen. 

 

Handlungsgrundsätze 

Consent: Kinder sollen verstehen, dass bei sexuellen Aktivitäten immer ein Ja von beiden Seiten nötig ist und ein Nein immer akzeptiert werden muss. Berücksichtige alle sexuellen Orientierungen und vermeide diskriminierende Ausdrücke. 

Ein offener Umgang mit dem Thema Sex ist entscheidend für die gesunde Entwicklung der Kinder. Indem wir das Thema enttabuisieren und offen darüber sprechen, fördern wir ein positives Körperbild und einen guten Umgang mit Grenzen. 

 

Empfehlenswerte Literatur 

Unterrichtsmaterialien zum Download von Selbstlaut

Identität; Rollenbilder und Persönlichkeit von Selbstlaut

Julia Schörkhuber

ist Kinderschutzbeauftragte im Team Kinder - Katholischen Jungschar Linz.

Lukas Öttl

studiert Latein und Griechisch, lebt also mehr in der Antike als im Jetzt. Er hat einen italienischen Pass und liebt Kaffee, Mozzarella und Parmesan. Wäre er ein römischer Gott, hieße er Somnus, das heißt Schlaf. Nachtschichten gibt’s bei ihm also keine, neue Artikel zahlreiche.