Von Löchern im Bauch und Igel im Herzen

11.06.2024 | von Michaela Druckenthaner
„Kommt der Igel in den Igelhimmel und hat er dort Freunde?“ fragt mein 4jähriger Sohn. Schon von klein auf stellen Kinder philosophische Fragen ebenso wie Glaubensfragen: „Warum betest du mit mir?“

Kinder entdecken ständig etwas Neues, sie sind aufmerksam und neugierig, wie sich die Welt so dreht und machen sich ihren eigenen Reim auf das, was sie erleben, sehen, wahrnehmen. Manchmal im wahrsten Sinne des Wortes: „Krieg ich ein Eis, ist mir nicht heiß.“ Und sie bringen mich täglich an die Grenzen meines Selbst, wenn die 100. Warum-Frage gestellt wird, aus purer Lust am genervten mütterlichen Seufzer. Aber genau dieses (Hinter-)Fragen ist so wichtig: für die Kinder selbst, für ihre Gottesbeziehung und für meine eigene Horizonterweiterung!

 

„Warum segnest du mich immer am Abend?“

fragt mein Sohn. Diese Frage ist eine unerwartete Chance über Gott und den Glauben zu reden. Irgendwie ist ihm dieses Ritual gerade nicht so recht, obwohl der das seit Lebensbeginn an kennt. Darum spreche ich nur die Worte und zeichne ihm kein Kreuz auf die Stirn. Mir ist es wichtig, achtsam mit den Bedürfnissen meines Kindes umzugehen – im Vertrauen darauf, dass er meinen Glauben schätzen lernt und auch für sich entdeckt.

Die Kunst bei solchen Gesprächen über Gott und die Welt (oder Gott in der Welt) ist es, sich selbst zurückzunehmen, die schon fertigen Antworten im eigenen Kopf beiseite zu schieben und dem Kind die Möglichkeit zu geben, selbst ins Nachdenken zu kommen und Antworten zu finden. Nicht vorgegebene Antworten führen die Mädchen und Buben in die Tiefe des Glaubens. Wenn die Kinder ihre eigenen Fragen stellen können und sich im eigenen Nachdenken den Antworten nähern, wird Glaube und Gott lebensrelevant. Wir können als Eltern, als Begleiter*innen mit den richtigen Fragen wie Hebammen spannenden Antworten auf die Welt helfen.

 

Kinder haben ihre eigene Deutung der Welt

von Gott, auch von biblischen Texten. Ihre Gedanken sind wertvoll und spannend! Die Kunst ist es, dies Gedanken und Interpretationen zu heben. Das war eine der wichtigsten Lehren am Anfang meines Tuns in der Pfarre. Beim gemeinsamen Vorbereiten eines Gottesdienstes mit den Kindern meiner Jungschargruppe wollte ich einen „schwierigeren“ Vers des vorgesehenen Evangeliums weglassen. Da meinte ein 12jähriges Mädchen: „Aber warum denn?“ und erklärte mir die Textstelle auf eine Art und Weise, dass mir selbst als Theologin Augen, Ohren und Herz aufgingen.

Wenn wir auch zu Hause miteinander in der Kinderbibel lesen und dann über das Gelesene oder auch die Illustration dazu reden, ergeben sich oft wundervolle Gespräche. Hilfreich sind die Einführungen und Gesprächsimpulse zu den jeweiligen Stellen, die sich in manchen Kinderbibeln finden (z.B. in Mayer-Skumanz Lene, Martina Spinková: Ich bin bei euch. Die große Don Bosco Kinderbibel, München 2011.) Weitere Anregungen bieten Bilder- und Kinderbücher: Gott ist wie Himbeereis von Simone Stracke (Paulinus 2019, 3. Auflage) oder die Bücher von Rainer Oberthür wie Soviel mehr als Sternenstaub: Nachdenken und Staunen über Gott (Gabriel 2018, 4. Auflage).

Wenn wir Kinder als eigenständige Wesen sehen, sie mit ihren Gedanken und Gefühlen ernst nehmen, sind sie täglich Inspiration und ein Fingerzeig Gottes auf die Wunder des Alltags und auf das Wunder der kindlichen Entdeckungsreise in die Welt.

 

Literatur zum Theologisieren mit Kindern:

  • Delval Marie-Hélène: Wie siehst du aus, Gott? (Übersetzung Rainer Oberthür), Gabriel 2011.
  • Mayer-Skumanz Lene, Martina Spinková: Ich bin bei euch. Die große Don Bosco Kinderbibel, München 2011.
  • Monari Manuela, Baldi Brunella: Der rote Faden, Tyrolia 2018, 3. Auflage
  • Oberthür Rainer: Die Bibel für Kinder und alle im Haus, Kösel 2015, 10. Auflage.
  • Oberthür Rainer: Soviel mehr als Sternenstaub: Nachdenken und Staunen über Gott, Gabriel 2018, 4. Auflage.
  • Oberthür Rainer: Stell dir vor… Gedankenspile über dich, Gott und die Welt, Kösel 2016.
  • Oberthür Rainer: Die Symbolkartei. 88 Symbol- und Erzählbilder für Religionsunterricht und Gruppenarbeit, Kösel 2018, 8. Auflage.
  • Simone Stracke: Gott ist wie Himbeereis von Simone Stracke, Paulinus 2019, 3. Auflage.
Michaela Druckenthaner

ist Theologin und Geistliche Assistentin sowie Kinderpastoralreferentin beim Team Kinder | Katholischen Jungschar Linz.