Wo du deine Haube lässt, dort ist deine Heimat.

07.05.2023 | von Luggi Frauenberger
Luggi Frauenberger interviewt Zolzaya „Zoloo“ Batdorj, eine ehemalige Au-Pair-Kraft aus der Mongolei.

Obwohl Zoloo nach ihrem Studium einen Reiseleiterinnen-Job hatte, hatte sie den Wunsch, ins Ausland zu gehen, um neben Russisch und Japanisch noch eine Sprache zu erlernen. Viele junge Menschen gingen in den Jahren 2007 und 2008 von der Mongolei weg.

So kam Zoloo erstmals 2009 nach Österreich, um hier als Au-pair-Kraft ein Jahr lang bei einer Familie zu leben und Deutsch zu lernen. Im Laufe dieses Jahres hat sie ihren jetzigen Ehemann kennengelernt und lebt seit 2011 durchgehend in Österreich.

Zoloo erlebt Österreich, verglichen mit ihrem Herkunftsland Mongolei, in manchem besser: mehr Sicherheit, eine Krankenversicherung und vor allem die Rechtssicherheit. Wenn du in Österreich etwas tust, dann bekommst du etwas dafür. In der Mongolei musst du auch viel tun, aber es ist nicht immer sicher, dass du dafür etwas bekommst!

In Österreich herrscht auch eine längerfristige Perspektive. Man kann mehr planen.

 

Im Interview mit Luggi erzählte Zoloo Folgendes:

„Was mir in Österreich jedoch nicht gefällt, ist, dass ich mit meinem Studium, meiner Berufsausbildung leider nichts anfangen kann. Ich arbeite, aber das ist was anderes als das, wofür ich die Ausbildung habe. Auch wenn ich meine momentane Arbeit gerne mache, so wäre es fein, wenn ich mehr das machen könnte, wofür ich ausgebildet wurde.

Was mir wirklich fehlt sind meine Eltern und mein ältester Sohn, der in der Mongolei lebt und dort studiert. Auch die traditionellen Feiern fehlen und beim Essen: das Fleisch! Es gibt viel Fleisch in Österreich, aber es schmeckt sehr anders!“

 

Wo du deine Haube lässt, dort ist deine Heimat.

Ein mongolisches Sprichwort sagt: „Wo du deine Haube lässt, dort ist deine Heimat.“ Dieses Sprichwort hat Zoloo zuhause nicht verstanden, aber jetzt versteht sie es immer mehr. „In diesem Sinne ist Österreich meine Heimat geworden. Einerseits empfinde ich, dass ich Mongolisches verliere und andererseits, wenn ich in der Mongolei bin, dann vermisse ich den Apfelstrudel, den Schweinsbraten und die Knödel.

Besonders beeindruckt hat mich in Österreich das Weihnachtsfest, dieses Feiern mit der Familie. Wenn wir hier „Stille Nacht“ singen, dann denke ich ganz fest auch an meine Familie in der Mongolei.

Besonders gefallen hat mir auch meine bislang einzig klassisch österreichische Hochzeit, die ich in Bad Ischl erlebt habe. Die Dirndlgewänder, die Hüte und auch dieses Brautstehlen war neu und für mich sehr schön, dies zu erleben. Wie der Mann da seine Braut gesucht hat, dass fand ich schön!

Was ich sehr schräg empfunden habe und noch so empfinde, ist, dass Jugendliche direkt neben Erwachsenen oder gar neben ihren Eltern Alkohol trinken oder rauchen! Ich kann zum Beispiel immer noch nicht neben meiner Mama Bier trinken, obwohl ich Bier gerne mag.

2011 empfand ich, als ich hier eingezogen bin, dass so viele Alte hier wohnten. Diese Alten schauten, ja kontrollierten alles, was ich da machte. Mittlerweile schaue ich in den Innenhof, ob eh das Spielzeug aus der Sandkiste weggeräumt ist oder ob Leute ihre Hunde freilaufen lassen, die dann überall herumkacken. Auch die Sache mit dem Müll, der überall herumgeworfen wird, anstelle ihn in die Mülltonnen zu werfen, ärgert mich. So gesehen, bin ich Österreicherin geworden (lacht!). Manche meinen auch, dass ich die Hausmeisterin bin.“

 

Unterstützung und „Pflicht“

Hilfreich fand Zoloo, die Unterstützung und „Pflicht“ beim Sprache lernen, bei der Arbeitssuche (AMS) und dass es hier in Österreich die Familienbeihilfe und den Mutter-Kind-Pass gibt.

Viele Menschen haben immer wieder geholfen, wenn Zoloo sie um Hilfe gebeten hat. „Viele Leute hier sind so stark vernetzt und wissen viel, wo man Hilfe bekommt. Das ist eine Erfahrung, die ich immer wieder machte.“

 

Zuhause ist das anders?

Abstoßendes hat Zoloo bislang nicht wirklich erlebt.

„Aber ich denke auch immer, dass ich hierher gekommen bin. Das heißt für mich, dass ich nicht die ganze Zeit sagen kann: „Zuhause machen wir das anders! Zuhause ist das anders“.

Ein Beispiel: Eine türkische Kollegin musste letzte Woche in der Küche, in der wir arbeiten, Zwiebel schälen. Sie fragte, warum sie das denn machen müsse, denn Zwiebelschälen ist doch in ihrer Kultur eine Bestrafung. Wir waren verwundert, weil das in Österreich ja nicht so ist. Ich sagte zu ihr: „Du solltest das nicht als Bestrafung sehen, denk´ einfach, es ist eine Art kostenlose Augenreinigung, die du mit dem Zwiebelschälen machen kannst!“

Oder bei wichtigen Festen essen wir in der Mongolei Rindfleisch. Hier werden zu Weihnachten Bratwürstel statt Rindfleisch gegessen. Schmeckt auch!“

 

Welcome to Austria!

Welcome to Austria – das ist ein Satz, der in Österreich oft zu hören war und der stimmt für Zoloo auch. „Wichtig finde ich, dass ich als Ausländerin hier nicht einfach herumliegen kann. Nein. Ich bringe meinen Anteil ein und bekomme auch was dafür! Ich kann auch meine Kultur hier einbringen, denn die Leute hier hören mir zu, sie reden mit mir. Gleichzeitig muss ich aber auch wissen, dass ich hier die Kultur nicht groß verändern werde, weil ich nur einen kleinen Teil der Kultur darstelle.“ Das gegenseitige Verstehen steht für Zoloo im Vordergrund und für sie selber holt sie sich das, was ihr gefällt, aus allen Kulturen, die sie kennt und hat.

 

Ich bin frei!

Zoloo bekennt sich zu keiner Religion. „Ich bin frei“, so ihre Aussage. „Hier in Österreich können alle ihre Religion frei leben. Die Katholischen gehen am Sonntag in die Kirche, die Afrikaner dort drüben feiern auch, was sie wollen. Der Muezzin „singt sein Lied als Gebet“ und das Kopftuch kannst du auch tragen, wenn du das willst oder von deiner Religion her musst. Im Kindergarten wirst du zum Beispiel gefragt, ob dein Kind Schweinefleisch essen darf und wenn nicht, dann machen die was anderes für dein Kind.“

Wo du deine Haube lässt, dort ist deine Heimat.
Ich lebe gerne hier, weil ich eine Zukunft sehe!
Der Liebe wegen habe ich hier eine Heimat gefunden.
Luggi Frauenberger

ist im Jungscharbüro für den DKA-Bildungsbereich mitverantwortlich und betreut das Fundraising und die Spezialprogramme Solidareinsatz und Lerneinsatz.