Kinder an die Macht!

07.08.2019 | von Lukas Öttl
Am liebsten tun wir das, was wir mögen, und am besten geschieht das, was wir wollen. Logisch!

Wir alle sind gerne frei in unseren Entscheidungen und gestalten unsere Zeit gerne ganz nach unseren Vorlieben. Auch Kinder! Das solltet ihr auch in eurer Jungschar- oder Ministrant*innengruppe berücksichtigen! Deswegen ... warum nicht einfach mal die Kinder entscheiden lassen, was geschehen soll? Hier findet ihr einige Ideen, wie ihr das praktisch umsetzen könnt. 

 

Bunte Methoden für bunte Abstimmungen

Ein wesentliches Kennzeichen unserer Demokratie in Österreich sind allgemeine, freie und geheime Wahlen. Natürlich geht das in der Jungschar nicht immer. Jedoch ist es gut, einige Abstimmungsmethoden, die diesen Ansprüchen gerecht werden, jederzeit zur Hand zu haben. 

  • Mehrpunkt - Entscheidung: 
    Die zur Wahl stehenden Möglichkeiten werden auf ein Plakat geschrieben. Jedes Kind erhält drei Klebepunkte und darf diese neben die Optionen kleben, die ihm am besten gefallen. Dabei ist es auch möglich alle drei Punkte neben eine einzige Auswahlmöglichkeit zu kleben. Wenn ihr wollt, dass geheim gewählt wird, hängt ihr das Plakat in einem anderen Raum auf. So können die Kinder einzeln während der Gruppenstunde "wählen" gehen.
     
  • Wahlzettel: 
    Als Gruppenleiter*nnen bereitet ihr einen Zettel vor, auf dem alle Möglichkeiten aufgeschrieben sind vor. Bereitet auch einen Schuhkarton mit einem Schlitz - oder einen anderen Behälter- vor, den ihr als Wahlurne benützen könnt. Die Kinder kreuzen nun die Option an, die ihnen am meisten zusagt und werfen den Zettel anschließend in die "Wahlurne". Die Option mit den meisten Stimmen gewinnt.
     
  • Applausometer: 
    Je nachdem, ob den Kindern eine zur Wahl stehende Alternative gefällt oder nicht, sollen sie klatschen - je mehr, desto lauter. Auch Jubeln und Stampfen ist erlaubt. Es liegt dann an euch als Gruppenleiter*innen, die Option mit dem lautesten Applaus festzustellen. Noch klarer wird es, wenn es zwischen den zwei oder drei beliebtesten Alternativen eine Stichwahl gibt. 
     
  • Mentimeter & Co:
    Im Zeitalter der Digitalität gibt es natürlich auch Onlineplattformen, die einen Abstimmungsdienst, bei dem jede*r über sein Smartphone abstimmen kann, oft auch gratis zur Verfügung stellen. Wenn ihr euch dafür interessiert, seht euch beispielsweise auf der Website www.mentimeter.com um. Beachtet aber, dass dafür jedes Kind ein Smartphone braucht, um mitstimmen zu können. Und auch ihr braucht einen PC/Laptop/Tablet, um das Ergebnis auswerten zu können. Bedenkt also schon im Vorhinein, ob das alles vorhanden ist, bevor ihr euch dafür entscheidet. 

 

Jungscharlagerparlament

Eine der wichtigsten Einrichtungen in einer Demokratie ist ja bekanntlich das Parlament. In der Jungschar eignet sich besonders gut das Jungschar- und Ministrant*innenlager, um ein eigenes Jungscharparlament einzuführen, wo die Kinder diskutieren und Entscheidungen treffen können.

Das Ziel ist den Kindern die Mitgestaltung des Lagers zu ermöglichen und in der Diskussion mit den anderen Kindern Lösungen für Probleme oder Anliegen zu finden. Dafür sind folgende Schritte nötig:

  1. Am ersten Abend des Lagers wird erklärt, dass es ein Lagerparlament geben wird, wie es funktioniert und warum ihr es macht. 
     
  2. Noch am selben Abend werden Klubs gegründet. 8-10 Kinder pro Klub sind ideal. Entweder die Kinder finden sich selbst zu Klubs zusammen oder ihr teilt sie nach gemeinsamen Interessen ein (z.B. "Ich brauche Parmesan auf meinen Spaghetti", "Helene Fischer ist mein größtes Idol", "Mathematik ist mein Lieblingsfach" etc. – Seid kreativ!)  Auch die Gruppenleiter*innen können einen eigenen Klub bilden und so mitdiskutieren und ihre Meinung einbringen.
     
  3. Legt eine Zeit für die täglichen Plenarsitzungen des Parlaments fest.
     
  4. Am zweiten Tag des Lagers findet die erste Sitzung statt. Als Präsident*in fungiert ein*e Gruppenleiter*in. (Ihr könnt euch auch abwechseln. Sobald sich der Ablauf bei den Kindern ein bisschen eingespielt hat, könnt ihr auch Kinder motivieren, sich als Präsident*in wählen zu lassen. Das wird wie ein Antrag eingebracht.) 
    Jede Plenarsitzung läuft in folgenden Schritten ab:
  • Der/Die Präsident*in eröffnet die Sitzung und stellt die Beschlussfähigkeit fest. (mindestens 51% der Abgeordneten müssen anwesend sein)
  • Die Klubs bekommen 10-15 Minuten Zeit, um unter sich zu besprechen, welche Anträge sie einbringen wollen.
  • Zu Beginn der anschließenden Diskussion fragt der/die Präsident*in ab, wie viele Anträge es pro Klub geben wird. Die Abgeordneten melden sich immer per Handzeichen, wenn sie ein neues Thema einbringen oder an der Diskussion teilnehmen wollen. Der/Die Präsident*in erteilt das Wort, leitet die Diskussion und achtet auf die gerechte Verteilung der Redezeit.
  • Anträge, die von den Klubs gestellt wurden, werden auf ein Plakat geschrieben und einzeln diskutiert. Am Ende jeder Diskussion wird abgestimmt (per Handzeichen) und die/der Präsident*in stellt fest, ob der Vorschlag angenommen oder abgelehnt ist (angenommen ab 51% der Stimmen). Die Abgeordneten sind bei der Abstimmung nicht an ihren Klub gebunden. Es kann also jede*r für sich entscheiden ob sie/er für oder gegen einen Antrag stimmt.
  • Am Ende schließt der/die Präsident*in die Sitzung.

Einige Bespiele für mögliche Themen: die Handypolitik, das Auslosen beim Abwaschen, Verschiebung der Nachtruhe am bunten Abend, mehr/weniger Freizeit,... 

Bedenkt, dass ihr am Ende die Letztverantwortung für das Lager und die Kinder tragt. Bei Anträgen, die gefährlich werden könnten oder gegen die Grundregeln eures Zusammenlebens verstoßen, dürft und sollt ihr sogar eingreifen. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass die Kinder meistens sehr gut mit der ihnen übertragenen Macht und Verantwortung umgehen können. 

 

Von Kindern für Kinder

Euch fehlt im Moment die zündende und kreative Idee für die nächste Jungscharstunde? Dann lasst doch einmal die Kinder das Programm für die nächste Gruppenstunde planen und vorbereiten. Das heißt jedoch nicht, dass ihr euch dabei auf die faule Haut legen sollt.  Im Prozess der Vorbereitung seid ihr stets in unterstützender und beratender Funktion dabei. Ihr liefert Material, gebt den Kindern Tipps und greift in schwierigen Momenten unter die Arme. Und vergesst nicht, dass ihr weiterhin die Verantwortung für alles tragt, was in der Gruppenstunde passiert. Achtet also darauf, dass ihr den Überblick behält und steigt bei gefährlichen Spielideen notfalls auf die Bremse.

Klärt bei der gemeinsamen Planung mit den Kindern im Vorfeld auch folgende Fragen:

  • Welches Thema soll die Gruppenstunde haben?
  • Wo wird die Gruppenstunde stattfinden?
  • Was genau wollt ihr tun? 
  • Wie viel Geld dürft ihr ausgeben? Wer besorgt Materialien? 
  • Muss der Raum dekoriert/hergerichtet werden?
  • Braucht ihr etwas zu essen oder zu trinken? Wer geht einkaufen?
  • Wer übernimmt welche Aufgaben in der Guppenstunde?
  • Wann wird die Gruppenstunde im Detail vorbereitet und wer macht mit?

Wenn ihr diese Fragen gemeinsam beantwortet habt, bringt eure Ideen in eine geeignete Reihenfolge und tragt eure grobe Planung in ein Raster ein: 

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Ihr werdet sehen, den Kindern macht es unglaublichen Spaß, einmal in eure Rolle zu schlüpfen und die Gruppenstunden werden unheimlich vielseitig und spannend sein. Und wer weiß, vielleicht könnt auch ihr das eine oder andere von den Kindern lernen... 

Lukas Öttl

studiert Latein und Griechisch, lebt also mehr in der Antike als im Jetzt. Er hat einen italienischen Pass und liebt Kaffee, Mozzarella und Parmesan. Wäre er ein römischer Gott, hieße er Somnus, das heißt Schlaf. Nachtschichten gibt’s bei ihm also keine, neue Artikel zahlreiche.