Kindgemäße Sprache

20.08.2019 | von Michaela Druckenthaner
Kindgemäße Ausdrucksformen in der (Kinder-)Liturgie.

Als Abschluss einer Ministrant*innen-Stunde beten wir das Vater unser. Einer der kleinen Ministrant*innen fragt mich hinterher verschämt, wer denn der Schuldi ist, dem wir so gerne vergeben – er hätte das bisher nicht so recht verstanden. Anekdoten wie diese gibt es genug, die deutlich machen, dass die liturgische Sprache für Kinder oft schwierig zu verstehen ist. Wie in jedem Sprachspiel gibt es auch im religiösen Sprachspiel schwierige und zunächst unverständliche Worte, die es nach und nach zu entdecken gilt.

Gerade beim Vater unser als Grundgebet unseres Glaubens wird deutlich, dass es wichtig ist, die Mädchen und Buben auch mit Texten zu konfrontieren, die sie vielleicht nicht gleich als Ganzes erfassen – mit denen sie aber nach und nach vertraut werden können. Denn wichtig ist die Atmosphäre, die für die Kinder im Feiern und Beten spürbar wird, nicht jedes einzelne Wort.

 

Im religiösen Tun

mit Kindern, in der Kinderliturgie bemühen wir uns um eine Sprachgestalt, die es den Kindern ermöglicht in dieses Sprachspiel hineinzuwachsen und im Glauben groß und stark zu werden.

„Tätige Teilnahme“1  im Gottesdienst setzt voraus, dass Kinder der Handlung folgen können und die Feier auch in einen Zusammenhang mit dem eigenen Erleben bringen können. Kindern eine volle, bewusste und tätige Teilnahme zu ermöglichen heißt: die kürzere Aufmerksamkeitsspanne zu beachten, sie als ganze Menschen (mit Hand, Herz, Hirn) anzusprechen und Gottesdienste sinnenhaft zu gestalten.

Mädchen und Buben nehmen die Welt über ihre Sinne wahr. Sie gehören wesentlich zum religiösen Erleben. Jesus selbst lebte seine Sinn!-lichkeit, ließ sich salben, berührte um zu heilen, umarmte und küsste!

 

Überprüfe deine Vorbereitungen einmal darauf, welche Sinne vorkommen!

Das Hören ist ein Sinn, der in der Kinderliturgie ganz selbstverständlich vorkommt. Das Hören auf das geschriebene oder nacherzählte Wort Gottes ist die Mitte einer Wort-Gottes-Feier. Oft aber wird dieser Sinn überbeansprucht durch zu viele, zu lange Texte, zu wenig Stille oder andere Elemente.

Zum Hören gehört ganz wesentlich auch die Stille – gut eingeleitet, zum Beispiel mit einer Klangschale. In einer für die Kinder verträglichen Länge tut das gemeinsame Schweigen allen gut und trägt zur besonderen Atmosphäre eines Gottesdienstes bei.

Durch die Augen können wir Erzähltes sinnenhaft nacherleben – wenn mit Figuren eine Geschichte dargestellt wird, oder als Meditation ein Naturmandala (z.B. zu Erntedank) gelegt wird.

Der Geschmackssinn ist eng verbunden mit Essen und Trinken – in der eucharistischen Mahlfeier aber auch bei einer Agape wird dieser Sinn miteinbezogen.

Die Bibel fordert uns dazu auf: „Kostet und seht, wie gütig der Herr ist!“ (Psalm 34,9).
Wann kommt der Geruchsinn ins Spiel? Blumen, Weihrauch oder wohlriechende Öle… Wer möchte nicht einmal zur Königin, zum König gesalbt werden? Wenn z. B. durch eine Salbung an die Taufe erinnert wird, werden Tast- und Geruchsinn angesprochen. Körperliche Berührung tröstet und heilt, das können uns Kinder lehren. Da wird Gott greifbar und an-greif-bar. Gleichzeitig gilt hier immer die Grundfrage: „Was willst du, dass ich dir tue?“ (Lk 18,41)

 

Mädchen und Buben

(aber auch erwachsene Frauen und Männer) wollen als ganze Menschen – mit ihren Sinnen, aber auch mit Hand, Hirn und Herz beteiligt und angesprochen sein.  

Die Hand steht für das Tun: sich bewegen, zu tanzen, zeichnen, Symbole suchen, eine Kerze anzünden oder ein Korn Weihrauch einlegen als unterstützendes Symbol bei jeder Fürbitte, …

Das eigene Tun ermöglicht, dass Kinder etwas wirklich verinnerlichen und verstehen können. Mit den verschiedenen Haltungen unterstreichen wir unsere Worte in der Liturgie und bringen uns in die richtige „Einstellung“: Wenn wir die Hände falten, sammeln wir uns und kommen zu uns selber, zu unserer Mitte und zu Gott. … Gebete mit Gesten begeistern Kinder und sind fixer Bestandteil vieler Kinderliturgien.

Kinder bewegen sich gern und viel, darauf wird selbst im Direktorium für Kindermessen bei der Auswahl des Ortes eingegangen: „…und in dem die Kinder sich gemäß den Erfordernissen einer altersgemäß lebendigen Liturgie frei bewegen können.“2 Bewegung kann angeleitet sein (im Tanz, in einer Prozession), grundsätzlich geht es aber darum, die Mädchen und Buben entscheiden zu lassen, wie sie jetzt da sein wollen – stehend, knieend, in der ersten oder letzten Reihe.

Vom Herzen her angesprochen werden die Kinder, wenn sie die biblische Geschichte selber spielen, sich einfühlen in die handelnden Personen oder ihre Sorgen im freien Fürbittgebet vor Gott bringen. Einen direkten Zugang zum Herz eröffnet das Singen!

 

Beim Singen kommt Bewegung ins Spiel.

„Anders als gesprochene Worte beeinflusst Musik unsere Gefühle und unsere Seele unmittelbar…. Daher ist Musik in besonderer Weise geeignet, die Tiefendimension menschlichen Lebens auszudrücken und kann so zum Sakrament werden: in ihr scheint Göttliches durch…3 Das lässt sie zu einem zentralen Element liturgischen Feierns werden. Miteinander zu musizieren stiftet auch Gemeinschaft. 

Auch die kognitive Herausforderung (Hirn) ist gefragt. Das religiöse Denken entwickelt sich parallel zur physischen, psychischen, kognitiven Entwicklung. Kinder verstehen Geschichten,… konkret und wortwörtlich (z.B. brennt der brennende Dornbusch tatsächlich und es braucht Feuerwehrmänner, diesen zu löschen.) Erst im Alter von 12 oder 13 entwickelt sich das abstrakte Denken, Symbole und Metaphern werden erst dann als solche verstanden. Als Leiter*in einer liturgischen Feier mit Kindern ist es wichtig, mich so auszudrücken, dass es für die Mädchen und Buben im jeweiligen Alter verständlich ist und ihnen gerecht wird.

Kinder haben eine eigene Weise, sich biblische Konzepte vorzustellen und biblische Texte auszulegen. Das Direktorium für Kindermessen nimmt den „Sinn (der Kinder) für Gott und religiöse Dinge“ ernst (Nr. 9) und gibt uns damit Impulse für unser kinderliturgisches Tun heute: Kinder sind fähig, selbst Antworten auf ihre Fragen finden und haben ein eigenes Gespür für das Heilige und Staunenswerte. Wenn wir dies ernst nehmen und das Erleben der Kinder, ihr Gespür mit hinein nehmen wollen, dann macht es Sinn, Kinder auch in die Vorbereitung mit einzubinden.

 

Fürbitten oder Dankmotive

können gut mit Kindern vorbereitet werden – und sind dann in ihrer eigenen Sprache verfasst für alle leichter verständlich.

Kindgemäße Sprache bedeutet die Sätze einfach und kurz zu halten – da kommt nicht nur den Kindern entgegen! Wichtig ist dabei: Kindgerecht/kindgemäß bedeutet nicht kindisch oder verniedlichend! Auch der erhobene Zeigefinger muss zu Hause bleiben – moralisierende oder disziplinierende Aussagen entsprechen nicht der Intention einer liturgischen Feier. Lebenserfahrungen von Mädchen und Buben dürfen und sollen konkret angesprochen werden, diese Erfahrungen dürfen aber nicht verzweckt werden zu Belehrungen.

Wenn wir Kindern Räume eröffnen, ihren eigenen Fragen und Gedanken nach zu gehen sind wir nahe dran an ihrer Lebenswelt, an ihren Freuden und Hoffnungen, ihrer Trauer und ihren Ängsten (vlg. Gaudium et spes, Art. 1)4.  Wir sind gefragt wie Hebammen die Kinder dabei zu unterstützen, ihr Wissen, ihre Deutung, ihr Verständnis auf die Welt und ins Wort zu bringen.

 

Was heißt „kindgemäß“?

Kindgemäß ist, was Kindern leicht zugänglich ist, was sie emotional anspricht und sie leicht begeistert, was ihren Kräften entspricht, im motorischen Bereich ebenso wie in der Sprache, im Spiel, bei Büchern und Geschichten, es muss sowohl physisch als auch psychisch den Kindern angepasst sein.

Sprache:

  • einfache, kurze Sätze
  • leicht verständlich, ohne Komplizierte Zusammenhänge
  • gern auch mit Wiederholungen.
  • mit Begrifflichkeiten des Alltags der Mädchen und Buben (keine Fremdwörter)
  • nicht moralisierend
  • Achtung bei bildhaften Vergleichen!

Aktionen

  • einfach durchzuführen (für Kinder und ihre Begleiter*innen)
  • soll dem Können der Kinder entsprechend (Alle sollen mitmachen können!)
  • soll verschiedene Sinne ansprechen und Hand, Herz, Hirn!
  • der Aufmerksamkeitsspanne der Kinder angepasst
  • dem Bewegungsbedürfnis der Kinder Raum lassen

 


Überarbeitete Version aus Kath. Jungschar Österreich (Hrsg.), Gottes Dienst. Liturgie mit Kindern feiern. Hintergrund – Praxis – Tipps (be-help 7), Wien 2014

1Im Direktorium für Kindermessen heißt es dazu: „In gewisser Hinsicht haben die Grundsätze der tätigen und bewussten Teilnahme ein besonders starkes Gewicht für Kindermessen. Daher geschehe alles, um diese Teilnahme zu verstärken und bereichern.“

2Deutscher Katecheten-Verein e. V./Deutsches Liturgisches Institut (Hrsg.): Gottesdienst mit Kindern. München 20069: Direktorium für Kindermessen, Nr. 25.

3Schützeichel Harald: Die Feier des Gottesdienstes. Eine Einführung, Düsseldorf 1996, 64f.

4Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute.

Michaela Druckenthaner

ist Theologin und Geistliche Assistentin sowie Kinderpastoralreferentin bei der Katholischen Jungschar Linz.