Die Bibel - von der Erzählung zur Online-Version

05.02.2023 | von Ewald Staltner
Erzählungen vom Menschen und seiner Beziehung zu Gott sind fixer Bestandteil menschlicher Geschichte. Immer wieder haben Menschen aus dieser Quelle Trost, Zuversicht und Kraft geschöpft. Daher war/ist es auch wichtig diese Erzählungen weiterzugeben und sie möglichst vielen zugänglich zu machen. Die ersten Verschriftlichungen können als ein erstes „Digitalisierungskonzept“ der mündlich weitergegebenen Erfahrungen gesehen werden. Mit den hier angeführten Bausteinen machen wir uns gemeinsam auf Spurensuche und nutzen dabei auch die Möglichkeiten des WWW (World Wide Web, dt.: weltweites Netz), um Handschriften anzusehen und verschiedene Textvarianten kennenzulernen.
Kinderanzahl
Kinderanzahl
ab 5 Pers.
Gesamtzeit
Gesamtzeit
90 Minuten Plus
Alter
Alter
10-12 Jahre

1. Station: Verschriftlichung

Schon sehr früh wurde begonnen die zunächst mündlich erzählten Geschichten von den Erfahrungen der Menschen mit Gott zu verschriftlichen, um sie möglichst vielen zugänglich zu machen. Bereits aus dem 9. Jhdt. vor Christus haben wir Überlieferungen von biblischen Texten, allerdings nur in sehr kleinen Textabschnitten (Fragmenten).

1947 hat man in Qumran (Israel) den ältesten biblischen Text eines ganzen Buches, die Jesajarolle aus dem Jahr 175 v.Chr., gefunden.

Die älteste vollständig erhaltene hebräische Handschrift des Alten Testaments stammt aus dem Jahr 1008 n.Chr. – der Codex Leningradensis – Sefaria.org

Vergleicht man die beiden Handschriften, so zeigt sich, dass die (jüdischen) Abschreiber den Text sehr genau kopiert haben und der Text sehr genau überliefert wurde.

Aus dem 4. Jhdt. n.Chr. stammt dann die älteste vollständig erhaltene Bibel-Handschrift des Neuen Testaments, der Codex Sinaiticus – digital zu sehen und nachzulesen unter: http://www.codex-sinaiticus.net/de/

 

Bei der Weitergabe der Texte können Änderungen auftreten, ganz besonders bei der mündlichen Weitergabe.

Aktion: Mündliche Weitergabe

Bis auf ein Kind je Gruppe verlassen alle den Raum. Das erste Gruppenmitglied bekommt nun den Text von Genesis 1-3 (der Text wird uns auch bei den anderen Stationen noch begleiten) mit dem Auftrag sie dem nächsten eintretendem Gruppenmitglied vorzulesen. Die Gruppenmitglieder betreten einzeln nach und nach den Raum und bekommen nun die Geschichte weitererzählt. Das letzte Gruppenmitglied schreibt anschließend, was es gehört hat, in 3 Sätzen auf. Vergleicht nun den Originaltext mit der Überlieferung.

Genesis 1-3
Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde
Und die Erde war wüst und leer und Finsternis über dem Abgrund und der Geist Gottesschwebte über den Wassern
und es sprach Gott: Es werde Licht und es ward Licht

Noch spannender wird es, wenn du bei großen Gruppen diese in zwei Gruppen teilst – welche unterschiedlichen Überlieferungen entstehen?

 

Station 2: Übersetzung Griechisch – 1. Jhdt. n. Chr.

In der Einleitung (Prolog) zur Übersetzung des Enkels des biblischen Autors Jesus Sirach schreibt dieser: „nicht nämlich bedeutet es das gleiche, ob etwas zunächst in hebräischen Worten gesagt wurde und dann übersetzt wird in eine andere Sprache“. Jesus Sirachs Enkel übersetzt in weiterer Folge den Text seines Großvaters ins Griechische und bemüht sich dem ursprünglichen Text gerecht zu werden und dabei für seine Leser*innen verständlich zu übersetzen. Der Text des Sirachbuches war übrigens bis ins 19. Jhdt. nur in Griechisch überliefert – mit dem Fund in einer alten Synagoge in Kairo (Ägypten, 1896) kamen hebräische Handschriften zu Tage. So kann man nun Original und Übersetzung vergleichen (Bsp. Der Schöpfungshymnus des Jesus Sirach in Sir 42,15ff in den unterschiedlichen Ausgaben gegenübergestellt: bibelarbeit.net)

Und warum übersetzt der Enkel den Text: Weil er wie auch später immer wieder, die Heilige Schrift möglichst vielen zugänglich machen will – in diesem Fall eben jenen, die des Hebräischen nicht mächtig waren, aber Griechisch (die damalige Weltsprache) sprachen.

Die griechische Ausgabe der Heiligen Schrift, die Septuaginta entstand bis zum Ende des 1. Jhdts. n. Chr. – der Name kommt von der Legende, dass 70 (genau 72) Übersetzer daran gearbeitet haben sollen. Die ursprünglich jüdische Übersetzung wurde von den Christen übernommen, während die jüdischen Rabbiner sich später für einen anderen Zugang zur Heiligen Schrift entschieden: Die Tora (5 Bücher Moses), so meinten sie, kann nicht angemessen übersetzt werden.

 

Aktion: Handschriften ergänzen

Nimm den Text aus Gen 1,1-5 und versuche die Lücken zu füllen (hier die PDF).

 

Station 3: Übersetzung Latein – 4. Jhdt. n. Chr.

Im 4. Jhdt. übersetzte der Heilige Hieronymus mit seiner Schülerin Eustochia die Bibel ins Lateinische, der damaligen Kirchensprache. Bis zum 2. Vatikanischen Konzil sollte diese Ausgabe in der Überarbeitung aus dem 7. Jhdt. die maßgebliche in der Katholischen Kirche sein (sieh unten). Hieronymus ging dabei innovativ vor, in dem er nicht auf die Septuaginta zurückgriff, sondern den hebräischen Urtext für das Alte Testament als Ausgangspunkt nahm. Und so besserte er auch Übersetzungsfehler der Septuaginta aus, wenngleich nicht alle: der wohl berühmteste Fehler betrifft Jes 7,14, die nach christlicher Deutung Weissagung der Geburt Jesu, wo auch Hieronymus der Septuaginta folgt:

Jes 7,14 heb: Die junge Frau wird schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen.

Jes 7,14 gr: Die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen.

 

Zum Weiterlesen: Warum es die Vulgata jetzt auf Deutsch gibt: Lateinheitsübersetzung (herder.de)

 

Aktion: Verse übersetzen

Versetzt euch doch einmal in die Lage des Heiligen Hieronymus und probiert die ersten beiden Verse der Bibel aus dem Hebräischen zu „übersetzen“ (hier die PDF).

 

Station 4: Deutsche Übersetzung 16. Jhdt. n. Chr.

Im 16. Jhdt. übersetzte Martin Luther die Bibel ins Deutsche, weil er wollte, dass möglichst alle Menschen von dem liebenden Gott der Bibel erfahren sollten, so wie er ihn für sich entdeckt hatte. Deutsche Bibelausgaben waren damals nicht vorhanden, auch weil es noch keine einheitliche deutsche Sprache gab. Luther übersetzt aus dem hebräischen und griechischen „Urtext“ in eine möglichst einheitliche deutsche Sprache. Mittels des vor kurzem erfundenen Buchdrucks konnten diese Bibeln nun günstig und in großer Anzahl produziert werden.

 

Aktion: aktuelle Übersetzung

Begebt euch auf die Spuren von Martin Luther und übersetzt seine Übersetzung des Psalm 23 in ein modernes Deutsch oder in Jugendsprache (hier die PDF).

 

Station 5: Vergleich der Übersetzungen

Unsere Sprache verändert sich und so ist es notwendig auch die biblischen Texte immer wieder neu zu prüfen, ob die Übersetzung noch zeitgemäß ist bzw. ob sie so von den jeweiligen Leser*innen verstanden wird. In Dei Verbum 22 erklärte das 2. Vatikanische Konzil, „dass geeignete und richtige Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen erarbeitet werden, insbesondere aus den Urtexten der Heiligen Bücher“.

Wie wir schon bei den Übersetzungen erfahren haben, spielt der Hintergrund des Übersetzers / der Übersetzerin und auch die Zielgruppe eine wichtige Rolle bei der Übersetzung. Gerade heute bietet das WWW unzählige Möglichkeiten, um Zugriff auf interessante Übersetzungen zu bekommen. Und so gibt es viele verschiedene Übersetzungen, manchmal wortwörtlich, ein andermal sehr einfach und wieder ein andermal in einem spezifischen Dialekt. Allen gemeinsam ist das Anliegen des Enkel Siras, das Wort Gottes möglichst breit zugänglich zu machen.

 

Aktion 5: Vergleich unterschiedlicher Bibeltexte

Sucht euch einen Biblischen Text aus (z.B. das Weihnachtsevangelium Lk 2,1-20):

Zu empfehlen: Einheitsübersetzung, Elberfelder Übersetzung

 

Station 6: Und was will mir der Text sagen?

Ihr habt nun drei biblische Texte (Gen 1,1-5 und Psalm 23 und den Text eurer Wahl) näher kennengelernt. Alle drei Texte erzählen letztlich von Gott und seinem Verhältnis zur Welt und zum Menschen.

Vergleicht nun die Gottesbilder in den Texten.

  • Welches Bild von Gott spricht euch an?
  • Können die drei Texte in einer modernen Welt so noch Bestand haben?
  • Wähle einen Text für dich aus: Was spricht mich daran besonders an?
  • Tauscht euch in kleinen Gruppen darüber aus, was eurer Meinung nach dieser Text heute bedeuten kann.

 

 

Religion und Naturwissenschaft

Der Text aus Genesis 1 ist übrigens auch aufgrund seiner oft schlechten Übersetzung kritisiert worden. Problematisch war allerdings, dass man sein Gottesbild fälschlich über viele Jahrhunderte als Weltbild betrachtete und so die Schöpfungstexte gegen die Naturwissenschaften ausspielte. Doch schon Jesus Sirach, dessen Enkel wir schon kennengelernt haben, hat diesen Unterschied in seinen Texten zur Schöpfung klar benannt und unterscheidet zwischen Religion und Naturwissenschaft. Oder um es mit dem Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger zu sagen: „Den Widerspruch zwischen Religion und Naturwissenschaft gibt es nur, wenn die Religion etwas sagt, wo sie eigentlich nicht zuständig ist, oder wenn die Naturwissenschaft etwas sagt, wo sie eigentlich nicht zuständig ist.“ (KirchenZeitung Diözese Linz Nr. 1 (78. Jg.) – 2023, Seite 14)

Bibelarbeit mit Kindern

Weitere Infos und Methoden zur Bibelarbeit mit Kindern findet ihr unter: Bibelarbeit mit Kindern - Katholische Jungschar

zahlreichen Originalen und Übersetzungen

Weitere DIGITALE Quellen – hier bietet das WWW eine Riesenauswahl, welche heute den Bibeltext in seinen zahlreichen Originalen und Übersetzungen zugänglich macht:

Ewald Staltner

ist bereits viele Jahre Mitglied im voll.bunt Arbeitskreis und erstellt schon seit 20 Jahren mit Begeisterung Adventuregames.